
Ende August 2004 machten meine Freundin Erni und ich uns auf zwei Wochen lang die nun nicht mehr ganz so neuen Länder unserer Republik mit dem Fahrrad zu erkunden. Startpunkt war die sächsische Landeshauptstadt Dresden. Wir quartierten uns, unserem Alter angemessen ;-), im Jugendgästehaus unweit der Altstadt ein, alles sehr einfach, aber blitzblank und absolut ausreichend, wenn man sowieso nur zum Schlafen dort ist.
Als erstes schafften wir uns auf einer Stadtrundfahrt mit einem der hop-on-hop-off Busse einen groben Überblick über die Sehenswürdigkeiten der Stadt (wir hatten das Glück einen superwitzigen Reiseleiter zu erwischen), dann ging es zu Fuß durch Alt- und Neustadt, wobei die Bezeichnung Neustadt durchaus irreführend ist. Dieser Teil Dresdens entstand nach einem verheerenden Brand im Jahre 1685. Heute ist dieses Viertel mit seinen vielen Restaurants, Kneipen und Geschäften bei Touristen und Einheimischen gleichermaßen beliebt.
Mit dem Fahrrad ging es dann am nächsten Tag zur Pfunds Molkerei. Vor lauter Schaulustigen sieht man leider kaum etwas von der wunderbaren Ausstattung dieses Ladens. Wir haben dann ein paar Käsesorten erstanden und uns zum Picnic in die Ruhe und Einsamkeit der Schlossanlage Pillnitz begeben.

Unser erster richtiger Radltag führte uns über Radeberg, Pulsnitz und Steina nach Kamenz, der Geburtstadt Gotthold Ephraim Lessings. Wahrzeichen der Stadt ist das Rote Rathaus, ebenso sehenswert sind die herrliche Kirche und der verwunschene Friedhof.
Auf dem Froschradweg ging es weiter über Wittichenau, Hoyerswerda (hier besonders auffällig: vor den alten DDR-Plattenbauten parken hauptsächlich die neuesten, größeren Modelle der drei namhaften süddeutschen Autohersteller!), durch ein wunderschön renaturiertes, ehemaliges Braunkohlerevier bis zu unserem Übernachtungsquartier in Spremberg. Tagesetappe 116 km.
Bei strahlendem Sonnenschein starteten wir Richtung Cottbus auf bestens ausgeschilderten Radwegen. Die von Fürst Pückler traumhaft angelegten Gärten von Schloss Branitz mussten wir dann allerdings unter dem Regencape begutachten. Gott sei Dank war der Schauer zwar heftig aber nur kurz. Der Spreeradweg führte uns dann in den malerischen Ort Lübbenau im Spreewald. 70 km.
Am nächsten Tag ging es in die Bundeshauptstadt Berlin. Die Radwegebeschilderung ist hier eher dürftig, aber irgendwann standen wir doch auf dem Potsdamer Platz. Eigentlich wollten wir die MoMa Ausstellung in der Nationalgalerie besichtigen, aber das Schild am Ende der Schlange "ab hier 5 Stunden Wartezeit" hat unser Kunstinteresse schlagartig abhanden kommen lassen. Schloss Charlottenburg haben wir dann wenigstens von außen noch begutachtet. Übernachtung in Hennigsdorf, 111 km.
Von hier aus radelten wir dann durch wahrhaft blühende Landschaften (wenngleich nicht unbedingt im Sinne Helmut Kohls) und gottverlassene Orte nach Waren am Müritzsee. Außerhalb der wenigen touristischen Zentren befindet man sich wirklich in einer kulinarischen Diaspora, unterwegs ist es nicht immer ganz einfach etwas zum Essen zu finden. Nicht so, Gott sei Dank, hier rund um den See. Beim Fischerhof in der Altstadt von Waren genossen wir eine grandiose Fischplatte und in unserer Unterkunft Hotel Kim www.hauskim.de wurden wir mit einem gigantischen Frühstück verwöhnt.
134 km.
Die Fahrt entlang des Müritz- und Kolpingsees führt ständig bergauf, bergab durch reizvolle Landschaft, vorbei an vielen Schlössern, leider nicht immer in einem guten baulichen Zustand. Die Ortsnamen enden hier oft auf -in: Remplin, Malchin, Demin. Demin wird uns für immer unvergessen bleiben für den dünnsten Kaffee, den wir je getrunken haben, selbst als Tee wäre er nicht durchgegangen. Hier befinden wir uns nicht nur kulinarisch in der Diaspora, auch übernachtungstechnisch ist es höchst schwierig. In dem kleinen Ort Tribsees finden wir dann schließlich Unterschlupf bei einer reizenden, älteren Dame in ihrer leicht chaotischen Gartenlaube. Hauptsache Dach überm Kopf! 124 km.
Weiter ging es auf einer ehemaligen Eisenbahnstrecke in die alte Hansestadt Stralsund, mittlerweile zusammen mit Wismar UNESCO Weltkulturerbe. Im Vergleich zu den einsamen Weiten Mecklenburg-Vorpommerns pulsiert hier das Leben, zumindest in dem kleinen Bereich rund um Rathaus und Kirche.
Über die große Brücke radeln wir nach Rügen, herrliche, uralte Alleen entlang. Die Orte sind alle wunderschön renoviert, aber wie ausgestorben. Wir quartieren uns in Putbus im Hotel Pommernstübchen ein und genießen ein hervorragendes Abendessen im Ristorante Rosengarten, ganz allein!
115 km.
Ohne Gepäck (herrlich!) machen wir am nächsten Tag eine Tour über die Insel zu den weißen Villen von Binz, zu den Kreidefelsen, den Feuersteinfeldern. Grandiose Natur, grottenschlechte Straßen, kaum Touristen. 107 km.
Die letzten Tag unserer Neuen Länder Tour verbringen wir in Zingst. Im Gegensatz zu Rügen herrscht hier reger Ferienbetrieb und wir haben etwas Mühe eine Unterkunft zu finden. Die Ortschaften sind bezaubernd mit ihren schmucken, reich verzierten Häuschen. Dazwischen unberührte Strände, Dünen, Leuchtturm. Wäre mal einen Urlaub für sich wert.
Noch eine Stadtbesichtugung von Rostock und dann geht es nach knapp 1000 km mit dem Nachtzug zurück nach München. Fazit: Deutschlands Osten hat viel zu bieten.