
"El Camino", der Weg, wie ihn die Spanier einfach nennen. Jakobswege durchziehen ganz Europa und führen die Pilger letztendlich nach Santiago de Compostela, wo die Pilgerreise üblicherweise in der Kathedrale endet.
Uns reizte weniger das religiös-spirituelle Erlebnis, als vielmehr die abwechslungsreiche Landschaft und zahlreichen Kulturschätze Nordspaniens. Trotzdem besorgten wir uns einen Pilgerausweis und eine Jakobsmuschel, das Erkennungszeichen der Pilger.
Der Hauptweg beginnt eigentlich auf der französischen Seite der Pyrenäen in St.Jean Pied de Port. Aus flugtechnischen Gründen landeten wir allerdings in Pamplona und radelten erst mal über Zubiri auf einer einsamen Strasse zum Collado Urkiaga, weiter nach St-Étienne de Baïgorry mit seinem schmucken Schloss (inclusive Gespenst im Dachstuhl!), ins hübsche St-Jean Pied de Port.
Im Nebel geht es zurück über den Ibañeta Pass, immer auf den Spuren Karl des Großen und seines Gefolgsmannes Roland. Die große Klosteranlage von Roncesvalles besticht mit einer imposanten Kirche. Jetzt treffen wir auch immer wieder ein paar Pilger. Nach zwei Zwischenanstiegen erreichen wir wieder das quirlige Pamplona uns geraten gleich mitten in ein Straßenfest. Sofort werden wir mit allen möglichen Köstlichkeiten versorgt. Ein unbedingtes Muss in Pamplona ist das Café Iruña, einst Ernest Hemingsways Stammkneipe, es hat nichts von seinem Charme eingebüßt.
Dank der EU-Subventionen herrscht rege Straßenbautätigkeit mit dem Resultat, dass ehemalige winzige Nebenstraßen plötzlich Schnellstraßen sind. Nicht unbedingt etwas, das Radlerherzen höher schlagen lässt. Nach mehrmaligen Umdrehen und Nachfragen erbarmt sich ein Autofahrer und geleitet uns zum Camino. Das ist allerdings der Fußgängerpilgerweg, also nicht unbedingt für Trekkingräder mit Gepäck ausgelegt. Wir schlagen uns trotzdem durch bis Puente la Reina mit seiner aus dem 11. Jahrhundert stammenden Brücke. Hier vereinen sich die beiden Pilgerwege durch die Pyrenäen zum camino francés.
Von Estella aus machen wir noch einen Abstecher zum Irache Kloster, an dessen Mauern sich eine Weinquelle befindet. Gestärkt mit einem kleinen Schlückchen Roten legen wir die letzten Kilometer bis Logroño im strömenden Regen zurück.
Ein Problem für Reiseradler in Spanien sind die Öffnungszeiten. Zwischen 13 und 17 Uhr ist so gut wie alles geschlossen, d.h. man kann weder Kirchen noch Klöster noch Schlösser besichtigen, die gerade auf dem Weg liegen. Zweitens öffnen die Restaurants abends frühestens um 21 Uhr, meist aber auch später. Für hungrige Radlermägen ein Desaster, vor allem auch weil die Pilgerherbergen um 22 Uhr schließen. Wir haben uns schließlich so beholfen, dass wir mittags (14 Uhr) ein reichhaltiges Menue verschlungen haben und abends uns dann mit Tapas begnügten.
Der nächste Tag führt uns nach Navarrete. Hier steht eine wunderschöne Kirche, die in keinem unserer Reiseführer verzeichnet ist. Sehenswert! Wir übernachten in der Pilgerherberge von Santo Domingo de la Calzada in einem riesigen Raum zusammen mit ca. 50 anderen Pilgern, die vornehmlich damit beschäftigt sind ihre wundgelaufenen Füße zu pflegen. Um 22 Uhr wird das Licht ausgedreht, denn schon um 6 Uhr morgens jagt eine feldwebelartige Klosterschwester alle auf die Straße. Wem das zu unbequem ist: es gäbe auch ein wunderschönes Parador im Ort www.parador.es/es/parador-de-sto-domingo-de-la-calzada
Die Kathedrale von Santo Domingo de la Calzada ist vor allem auch wegen des integrierten Hühnerstalls berühmt, in dem eine weisse Henne und weisser Gockel wohnen. Die legende besagt, dass einst ein Pilger, von einer eifersüchtigen Magd des Diebstahls bezichtigt, gehängt wurde, aber einfach nicht starb in der Schlinge, sondern munter weiter lebte. Als man dies dem Landrichter meldete, der gerade eine gebratene Henne und einen Gockel verspeisen wollte, sagte dieser, das sei genauso unmöglich wie dieses Vieh auf dem Teller fliegt. In dem Moment wuchsen den Tierchen Flügel und sie flatterten davon. Alsdann war man von der Unschuld des Pilgers überzeugt.
Unser Frühstück fällt, wie in Spanien üblich, mager aus und so nutzen wir bald die Gelegenheit zu einem zweiten Imbiss. Ab zehn gibt es meistens irgendwo eine Tortilla. In San Juan de Ortega ist wieder ein sehr schönes Kloster zu besichtigen. Für uns das Highlight des Ortes ist allerdings die gebratene morcilla (Blutwurst) im Klosterstüberl.
Auf einsamen Straßen rollen wir weiter bis Burgos. In der phenomenalen Kathedrale, der drittgrößten Spaniens, liegt der Nationalheld El Cid begraben.
Außer uns sind noch einige Radpilger unterwegs und meistens trifft man sich dann unterwegs oder spätestens abends bei der Quartiersuche wieder. So entstehen nette Kontakte zu Menschen aus allen Herrenländern, unter anderem zu einer Gruppe junger Spanier, die mit mountain bikes unterwegs sind und immer dem camino folgen, während wir schon auch mal auf kleine Nebenstrassen ausweichen, wenn der eigentliche Pilgerweg gar zu eng und holprig wird. Und so kommt es, dass wir, wie beim Hase und Igel Märchen, nach ihnen los fahren, aber vor ihnen ankommen, was die Buben ein wenig frustet.
Wir verlassen Burgos entlang des Flusses und fahren über die steinige Hochebene der Meseta. Die Luft ist erfüllt vom würzigen Duft der wildwachsenden Kräuter und auf den Wiesen stehen Störche. Jeder noch so kleine Ort weist eine schöne Kirche oder ein Kloster auf. Leóns Kathedrale Santa Maria de Regla besticht durch großartige bunte Fenster, die fast alle noch im Original aus dem 13. Jahrhundert erhalten sind. Sehenswert ist auch das Gaudi Haus Casa de Botines und die Königsgruft. Aber auch für das leibliche Wohl ist gesorgt, die Altstadt brummt nur so vor Lokalen und Bars.
Über Ospital de Obrigo mit seiner berühmten Brücke, auf der früher die Ritter sich bekämpft haben, holpern wir bis Astorga und am nächsten Morgen weiter hinauf zum Rebanal Pass, wo auch wir, wie der Pilgerbrauch es will, beim Cruz de Ferro einen mitgebrachten Stein aus der Heimat ablegen. Kurz nach dem Pass lädt die kleine Hippieherberge von Maujarin zu einem Imbiss ein. Dann genießen wir die lange, rasante Abfahrt bis Molinaseca. In Ponferrada ist die Ritterburg leider wieder bis zum frühen Abend geschlossen und so rollen wir weiter durch Weinberge bis Villafranca del Bierzo, ein schmucker, kleiner Ort mit vielen, sehr schönen Kirchen.
Am nächsten Morgen erwartet uns wieder ein Anstieg, zum Alto de Cebreiro auf 1300m. Das Dorf Cebreiro ist keltischen Ursprungs und mutet einem Asterix Buch entsprungen an. Bis Sarría geht es ständig bergauf, berab, weiter zum Stausee bei Portomarin. Die Pilgerdichte nimmt zu. Man merkt, dass wir uns langsam dem Ziel Santiago de Compostela nähern. Noch eine Übernachtung in Arzúa, dann packen wir die letzten Kilometer bis Santiago an.
Der Kern der quirligen und turbulenten Universitätsstadt gehört heute zum UNESCO Weltkulturerbe. Vor der Kathedrale wimmelt es von Pilgern, echten und solchen, die sich nur verkleidet haben und darauf warten gegen gutes Geld abgelichtet zu werden. Wir holen uns unsere Compostela, die Pilgerbescheinigung, im Pilgerbüro ab und gehen zur Kathedrale, um noch die letzten Rituale zu erledigen, den Altar mit der Jakobsstatue zu umrunden und die Rückseite der Figur zu küssen.
Nun ist unsere Pilgerreise offiziell beendet.
Besonders beeindruckend ist das über 50 kg schwere Weihrauchgefäß, das an Sonn- und Feiertagen durch das ganze Mittelschiff geschwungen wird.
Die kleinen, verschlungenen Alstadtgassen locken zum Bummeln und Genießen der vielen galizischen Spezialitäten, die hier in den Bars und Tavernen angeboten werden.
Wir hängen noch zwei Tage dran und radeln an die Küste nach Finisterra, zum "Ende der Welt". Die Küstenlandschaft ist geprägt von kristallblauen Buchten gesäumt von blühenden Hortensien. In einigen Orten finden sich noch sogenannte Horreos, die früher als Getreidespeicher dienten.
Nach 14 Tagen auf dem Fahrrad und knapp 1200 km heißt es Abschied nehmen und die Räder verpacken (am Flughafen stehen entsprechende Kartons bereit). Mit vielen wunderbaren Eindrücken und Erlebnissen fliegen wir heim nach München. Buen Camino!
Hier noch ein link zu googlemaps mit unserer Route: https://maps.google.de/maps/ms?msid=202095463580703108838.0004d4d41e99528143056&msa=0